10 Oktober 2015

Liebe von einer anderen Art

Eine solche Liebe ist die agape–Liebe Gottes. Sie ist mehr als nur ein echtes und aufrichtiges Gefühl des Willkommen–Seins, des Wertschätzens und des Nähern–Wollens. Sie ist eine bestimmte Art des Seins gegenüber einem Menschen, quasi eine Disposition; eine „Anfälligkeit“ für eine bestimmte Denk–, Fühl– und Verhaltensart (Neigung) gegenüber dem Menschen.

Die agape–Liebe Gottes ist quasi ein ganzer „Satz“ von Verhaltensweisen gegenüber dem Menschen: Sie ist
• aktiv und initiativ
• gebend (zumindest anbietend)
• ausdehnend, ausweitend, ausstreckend nach …
• aufopfernd, sogar bis zum Tod

Wenn die agape–Liebe Gottes so ist, dann kann unsere Antwort auf diese Liebe nur die sein, dass wir sie glauben, annehmen, empfangen, umarmen, festhalten … Er initiiert, wir gehen darauf ein. Er hat damit angefangen, wir haben nur mitgemacht.

Der Apostel Johannes schreibt (1. Joh. 4, 19): „Er hat uns zuerst geliebt“ – wir empfangen diese Liebe erst einmal einfach nur. Er verpackt das Geschenk und gibt es Dir, aber erst wenn Du es nimmst und auspackst, gehört es wirklich Dir. Wir generieren keine Liebe, wir nehmen sie schlicht und einfach an. Es ist wie bei einer Einladung zum Abendessen: Der Gastgeber möchte einfach, dass Du die Einladung annimmst und kommst. (siehe Mat. 22, 1–14 und Luk. 14, 16–24) Es gibt kein Recht auf Einladung. Man kann sie sich auch nicht verdienen. Denn die Einladung gilt jedermann, aus jeder sozialen Schicht, „Böse wie Gute“. Alle sind eingeladen. Alles, was es braucht, ist, dass man die freie Einladung annimmt und kommt. Und dass man ein ganz besonderes Kleid anzieht. (siehe Jes. 61, 10) Und man kann seine Wertschätzung zum Ausdruck bringen durch ein herzliches Dankeschön.

Manchmal denken wir Menschenskinder, dass wir „mehr“ tun müssten (– als ob wir das könnten …) als einfach nur die Liebe Gottes, mit der er uns „zuerst geliebt“ hat anzunehmen und mit Dankbarkeit zu antworten.

Menschenskinder, die meinen, dass sie die Liebe Gottes ebenbürtig erwidern könnten und sollten – quasi Gott mit der gleichen Liebe lieben, wie er uns liebt –, bringen sich in ernste Schwierigkeiten, denn das was hier wie Liebe ausschauen will, ist im Grunde genommen purster Stolz (sich Gott gleich machen).

In der gleichen „Gewichtsklasse“ lieben zu wollen wie Gott, ist genauso unmöglich wie der Wunsch eines adoptierten Kindes gleichermaßen seine Eltern adoptieren zu wollen. Das geht einfach nicht, weil eine Adoption die Handlung eines Versorger–Elternpaares oder Pflege–Elternpaares ist und nicht ein Akt desjenigen, dem diese Sorge zukommt. Der kann sie nur dankbar annehmen. Denn unsere Adoption (Eph. 1, 5) geschieht ja nicht auf der Grundlage wie gut oder talentiert wir sind, oder wie gut wir uns im Waisenhaus benommen haben oder die Regeln des Waisenhauses befolgt haben. Gott hat uns ausgewählt, einfach weil wir ihm gefallen haben, als er uns gesehen hat. Ein Blick hat genügt (Hoh. 4, 9; siehe auch Hes. 16, 8).

Menschenskinder, wir sind jetzt in seiner Familie, weil er es wollte, dass wir ein Teil seiner Familie sind. Das ist die ganze und einfache Wahrheit. Die Regeln des Waisenhauses haben jetzt, da wir in unserem neuen Zuhause sind, keine Bewandtnis mehr. Und auch wenn wir – wie alle Menschenskinder – Dinge tun, die wir nicht tun sollten, verlieren wir nicht gleich unsere Zugehörigkeit und Identität. Völlig egal was wir auch anstellen, wir bleiben jetzt, da wir regelrecht adoptiert sind, Söhne und Töchter.

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